Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 2011 – III ZR 87/10
Die Klägerin bietet Lebensberatung („life coaching“) u.a. durch Kartenlegen an.
In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise wandte sich der Beklagte im September 2007 an die Klägerin. Sie legte ihm am Telefon in vielen Fällen die Karten und gab Ratschläge. Der Beklagte hat dafür schon mehr als 35.000 EUR bezahlt. Weitere 6.723,50 EUR wollte er nicht mehr bezahlen. Dieser Betrag ist eingeklagt. Die Klägerin hat beim Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart den Prozess verloren: Die von der Klägerin versprochene Leistung sei objektiv unmöglich, für eine unmögliche Leistung muss aber nichts bezahlt werden.
Auch der Bundesgerichtshof sagt, dass die von der Klägerin versprochene Leistung objektiv unmöglich ist.
Allerdings folgt daraus nach Ansicht des BGH nicht zwingend, dass der Anspruch der Klägerin nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt. „Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich – gegen Entgelt – dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen.“
Wer also eineLeistung kauft, von der er weiß, dass diese rational nicht erklärbar ist, muss im Normalfall zahlen.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache aber nicht endgültig entschieden. Das Berufungsgericht mussu.a. klären, ob die Vereinbarung der Parteien evtl. nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Viele Menschen, die derartige Verträge schließen, sind in einer schwierigen Lebenssituation oder sie sind leichtgläubig, unerfahrene oder psychisch labil. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gestellt werden.
Fazit: Auch Verträge über Kartenlegen, Astrologie u. ä. sind wirksam. Die „Kunden“ dürfen aber nicht sittenwidrig oder wucherisch augenutzt werden.
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs