Kein Unterhalt ohne Information

Beschluss des BGH vom 3. Mai 2017 – XII ZB 415/16

Der u.a. für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit der Frage befasst, in welchem Umfang die Eltern eine Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen.

Was bisher geschah:

Die Tochter machte 2004 das Abitur mit einem Durchschnitt von 2,3. Sie bewarb sich erfolglos um einen Medizinstudienplatz. Sie machte dann eine Ausbildung zur anästhesietechnischen Assistentin und arbeitete dann in diesem Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin.

Im September 2011 erhielt der Vater Kenntnis von der Studienaufnahme. Per Brief hatte er ihr 2004 nach dem Abitur mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein.

Was das Gericht dazu sagt:

Alle Instanzen haben den Unterhaltsantrag abgewiesen.

Der Unterhalt eines Kindes umfasst die Kosten einer Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Ein einheitlicher Ausbildungsgang in diesem Sinn kann auch gegeben sein, wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife erst eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert danach studiert.

Der Anspruch ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Zahlungspflicht steht die Pflicht gegenüber, die Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Eine Unterhaltspflicht wird daher umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende ist. Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden.

Nach diesen rechtlichen Maßgaben bestand im vorliegenden Fall kein Unterhaltsanspruch mehr. Entstehen bei einem mit Numerus Clausus belegten Studiengang notenbedingte Wartezeiten, kann das lediglich zur Folge haben, dass das Kind seinen Bedarf während der Wartezeit durch eine eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen muss. Auch fehlt insbesondere nicht der zeitliche Zusammenhang zwischen Lehre und Studium, weil die Tätigkeit im erlernten Beruf lediglich der Überbrückung der zwangsläufigen Wartezeit diente. Die Inanspruchnahme des Vaters ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls hier unzumutbar, selbst wenn er während der Lehre seiner Tochter nicht für ihren Unterhalt aufkommen musste. Denn bei dem Alter der Tochter von fast 26 Jahre bei Studienbeginn musste der Vater typischer Weise nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen. Entsprechend hatte er im Vertrauen darauf, nicht mehr für den Unterhalt der Tochter aufkommen zu müssen, verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen (kreditfinanzierter Eigenheimkauf; Konsumentenkredite) getroffen. Dieses Vertrauen war im vorliegenden Fall auch schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte.

Was das für die Praxis bedeutet:

Das Studium muss nicht nur zügig angefangen und beendet werden, der Zahlungspflichtige muss auch so informiert werden, dass er sich auf seine Zahlungspflichten einstellen kann. Wer also nicht kommuniziert, riskiert seinen Unterhaltsanspruch.

Quelle: Pressemitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 03.05.2017

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