Freie Anwaltswahl

Wie hier berichtet, hat das OLG Bamberg ein Geschäftsmodell einiger Rechtsschutzversicherungen verboten. Dieses Modell lief darauf hinaus, dass die Versicherten eine niedrigere Selbstbeteiligung bezahlen müssen, wenn sie sich ausschließlich von den Anwälten betreuen lassen, die die Versicherung benennt.

Dagegen hat die Rechtsanwaltskammer vorläufig erfolgreich geklagt. Vermutlich wird die Sache zum BGH gehen, womöglich entscheidet am Ende der EuGH oder das Bundesverfassungsgericht.

Was steckt dahinter? Schließlich sind alle diese Berater Rechtsanwälte und damit von der Rechtsanwaltskammer vertreten.

Wenn eine Rechtschutzversicherung einen Rabat gewährt dafür, dass ganz bestimmte Anwälte tätig werden, muss dies zwingend der Überlegung folgen, dass sie einen finanziellen Vorteil daraus zieht, wenn gerade diese Anwälte tätig werden.

Dafür hat die Rechtsschutzversicherung im Wesentlichen zwei Stellschrauben: Einerseits kann das Honorar der Anwälte gekürzt werden, andererseits kann es sich um Anwälte handeln, die „im Zweifel“ oder zumindest „auch“ die finanziellen Interessen der Rechtsschutzversicherung wahren.

Die erste Stellschraube kennen wir bereits aus dem Gesundheitswesen. Die Anwaltsgebühren sind der Höhe nach festgelegt. Innerhalb gewisser Grenzen können Anwälte aber ein Ermessen ausüben und höhere oder niedrigere Gebühren nehmen. Wenn ein Fall besonders schwierig oder umfangreich ist, kann der Anwalt eine höhere Gebühr verlangen. Wenn das aber beispielsweise gegenüber einer Rechtsschutzversicherung nicht mehr möglich ist, wird der Anwalt auch den schwierigeren oder umfangreicheren Fall möglichst so bearbeiten, dass der Aufwand zumindest nicht deutlich über einem Durchschnittsfall liegt.

Das ist auch so im Gesundheitsbereich: Ärzte können ein Vielfaches der jeweiligen Gebühr abrechnen. Gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen ist dies aber nicht möglich, da sind die Gebühren gedeckelt. Wenn also eine Behandlung aufwendiger oder schwieriger ist, wird beim Kassenpatienten dafür trotzdem nur soviel bezahlt wie für eine Durchschnittbehandlung.

Wir bekommen also bei dieser Regelung im Grunde den Unterschied zwischen Kassenpatient und Privatpatient auch im Rechtsbereich. Diese Freiheit der Wahl mag für den Rechtsschutzversicherten durchaus attraktiv sein, wenn er denn weiß, worauf er sich einlässt.

Kritischer ist aber der zweite Aspekt: Die Rechtsschutzversicherungen schließen mit ausgewählten Kanzleien Verträge, die oft als „Rationalisierungsabkommen“ bezeichnet werden. Diese Kanzleien müssen dann natürlich die Interessen beider Vertragspartner, der Versicherung und des Mandanten, berücksichtigen. Das Mandanteninteresse ist damit nicht mehr alleinige Richtschnur des Anwalts.

Die meisten Versicherten haben ihre Versicherung aber gerade deswegen abgeschlossen, um im Notfall eine Sache auch dann durchfechten zu können, wenn es teuer werden kann.

Wenn die Versicherten sich aber nicht mehr sicher sein können, ob der Rechtsanwalt deswegen von einem Prozess abrät, weil er wirklich keine Chancen sieht oder deswegen, weil er z.B. hohe Gutachterkosten befürchtet und dies seinem anderen Vertragspartner nicht zumuten will, spätestens dann wird es kritisch und das Vertrauen zwischen Anwalt und Mandant kann untergraben werden. Das ist weder dem Rechtsstaat förderlich noch entspricht es den Vorstellungen des Versicherten bei Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages.

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