BGH korrigiert das Landgericht Münster: Internet-Auktionen sind rechtswirksam

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. November 2001- VIII ZR 13/01

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Mitteilung Nr. 79/01, auch veröffentlicht in NJW 2002, 263
Der Beklagte, der mit Kraftfahrzeugen handelte, richtete unter seinem Benutzernamen für den Verkauf eines Neuwagens VW-Passat eine Angebotsseite ein. Er legte den Startpreis (10 DM), die Schrittweiten der Gebote sowie die Dauer der Auktion fest und gab eine vorgegebene Erklärung ab, in der es unter anderem heißt: „Bereits zu diesem Zeitpunkt erkläre ich die Annahme des höchsten, wirksam abgegebenen Kaufangebotes.“ Einen Mindestkaufpreis setzte der Beklagte nicht fest.Der Kläger gab das höchste Gebot ab. Der Beklagte wollte den Wagen nicht liefern, da ihm der Preis zu niedrig war. Das Landgericht Münster gab dem Beklagten in erster Instanz recht. Das OLG Hamm als Berufungsinstanz und jetzt auch der BGH letztinstanzlich verpflichteten den Verkäufer, den Wagen gegen Zahlung des Höchstgebotes zu liefern. Der BGH führt u. a. aus:
„Außer Frage steht, daß das online abgegebene Höchstgebot des Klägers eine wirksame, auf den Abschluß eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung darstellt. … Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es auf seiten des Beklagten nicht an einer entsprechenden Willenserklärung. Diese liegt … darin, daß der Beklagte die von ihm eingerichtete Angebotsseite für die Versteigerung seines Pkw mit der (ausdrücklichen) Erklärung freischaltete, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an. Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt. … Die Willenserklärung des Beklagten war auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hinreichend bestimmt. Zwar richtete sie sich an eine nicht konkret bezeichnete Person (ad incertam personam). Sie genügte aber dem Bestimmtheitserfordernis, weil zweifelsfrei erkennbar war, mit welchem Auktionsteilnehmer der Beklagte abschließen wollte, nämlich (nur) mit dem, der innerhalb des festgelegten Angebotszeitraumes das Höchstgebot abgab. … Unerheblich ist, ob sich der Beklagte bei Abgabe seiner Willenserklärung und Freischaltung der Angebotsseite des verbindlichen Charakters seiner Erklärung bewußt war. Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende – wie der Beklagte – bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte (BGHZ 91, 324; BGHZ 109, 171, 177). Ein für den Empfänger nicht erkennbarer Vorbehalt, sich nicht binden zu wollen, ist unbeachtlich (§ 116 BGB). Dem Erklärenden verbleibt nur die Möglichkeit einer Anfechtung seiner Willenserklärung nach §§ 119 ff BGB in den dort bestimmten Grenzen. … Gründe für eine Unwirksamkeit … des Kaufvertrages liegen nicht vor und ergeben sich insbesondere nicht … aus dem AGB-Gesetz.“
Außerdem führt der BGH aus, dass der Verkäufer nicht wegen Irrtum anfechten kann und es sich bei der Internet-Auktion auch nicht um ein „Spiel“ handle. Auch sei das Geschäft nicht deshalb unwirksam, weil der Auktionsveranstalter (ricardo.de) möglicherweise gegen das Verbot ungenehmigter Versteigerungen verstoßen habe.

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