Mehrwertsteuer bei Totalschaden

Mehrwertsteuer bei Totalschaden

Das Problem: Nach neuer gesetzlicher Regel soll bei einem Schaden, z. B. wegen Verkehrsunfall, nur dann die Mehrwertsteuer bezahlt werden, wenn diese vom Geschädigten auch aufgewandt wurde. Der Geschädigte kann dies z.B. durch eine Reparaturrechnung nachweisen.
Wie soll das aber gehen, wenn ein Totalschaden vorliegt?
Kein Problem dann, wenn ein Neuwagen oder ein Firmenwagen gekauft wird. Dann ist in der Rechnung normalerweise die Mehrwertsteuer „ausgewiesen“, die Versicherung zahlt.
Wenn aber ein Gebrauchter total beschädigt wird und deshalb auch nur wieder ein Gebrauchter gekauft wird, kann der Geschädigte nicht nachweisen, dass er Mehrwertsteuer aufzuwenden hatte.
Die Versicherungen, in deren Interesse das Gesetz schließlich geändert wurde, haben diese Gesetzeslücke natürlich sofort dazu genutzt, den Geschädigten 16% vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen.
Dem haben jetzt eine ganze Reihe von Gerichten einen Riegel vorgeschoben:
Bei gebrauchten Fahrzeugen in Privathand kann normalerweise nur die Differenzsteuer gem. § 25a UStG angesetzt werden. Dies ist die Mehrwertsteuer, die ein Gebrauchtwagenhändler zu zahlen hat. Bei einer üblichen Gewinnspanne von knapp 15% können die Gerichte den Satz regelmäßig auf 2% schätzen ( so u. a. das AG Papenburg).
Wenn dann wieder ein Gebrauchter (der mindestens den Wert des alten Wagens hat) vom Händler gekauft wird, darf die Versicherung den Wiederbeschaffungswert nicht kürzen, so das Amtsgericht Erkelenz, Text. s. unten.
Tipp: Bei Kauf vom Gebrauchtwagenhändler auf der Rechnung bestätigen lassen, dass Differenzsteuer gem. § 25a UStG angefallen ist.
Nach Meinung des Amtsgerichts Halle ist die im Restwert enthaltene Mehrwertsteuer jedenfalls dann vollständig zu bezahlen, wenn überhaupt ein Ersatzfahrzeug erworben wird.
Sehr alte Fahrzeuge, ab etwa 10 Jahre, werden aber nach Ansicht der Amtsgerichte München und Hameln auf dem seriösen, gewerblichen Gebrauchtwagenmarkt nicht mehr gehandelt. In diesem Fall ist nach Meinung dieser Gerichte der volle Wiederbeschaffungswert ohne Abzug für Mehrwertsteuer zu erstatten

Das Problem: Wegen der normalerweise geringen Streitwerte liegen bisher fast nur Urteile unterer Gerichte vor. Die Versicherungen berufen sich dem anwaltlich nicht vertretenen gegenüber gern darauf, dass der Bundesgerichtshof die Sache noch nicht entschieden hat und Urteile von Amtsgerichten nicht verbindlich seien.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Erkelenz, Az.: 15 C 226/03, Urteil vom 27.06.2003, lautet auszugsweise folgendermaßen:

Die Beklagte zu 2)(Versicherung) hätte den Fahrzeugschaden der Klägerin wie folgt abrechnen müssen:

Unstreitig hat der Sachverständige einen Wiederbeschaffungswert incl. Mehrwertsteuer von 2.900,00 EUR errechnet. Des weiteren hat er einen Resiwert incl. Mehrwertsteuer von 300,00 EUR errechnet. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB neue Fassung schließt der nach § 249 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Die Klägerin hatte daher zunächst nur einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes abzüglich der in denn Wiederbeschaffungswert enthaltenen Umsatzsteuer. Die Beklagte zu 2} hat diesen Wert falsch berechnet. Der Wiederbeschaffungswert ist definiert als der Betrag, den der Geschädigte bezahlen muss, um von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler ein vergleichbares Fahrzeug erwerben zu können (BGH Vers.Recht 1965, 830). Abzustellen ist also auf den durchschnittlichen Verkaufspreis eines Gebrauchtwagenhändlers und dessen Preis enthält gemäß. § 25 a UStG eben nur die Differenzbesteuerung, also 2 % und nicht 16 % des Kaufpreises (Gebhard, Zeitschrift für Schadensrecht 2003, 157, 158), Das bedeutet, dass von dem Wiederbeschaffungswert lediglich die Differenzbesteuerung in Höhe von 2 % in Abzug zu bringen ist. Nicht jedoch, wie von der Beklagten zu 2) vorgenommen, eine Besteuerung in Höhe von 16 %. Der von der Beklagten zu 2) zunächst zu ersetzende Schaden wäre daher wie folgt zu berechnen gewesen:
Von dem Bruttowiederbeschaffungswert in Höhe von 2.900,00 EUR war zunächst der Bruttorestwert des Fahrzeuges in Höhe von 300,00 EUR abzuziehen. Sodann verbleibt ein Betrag in Höhe von 2.600,00 EUR.
Von diesem Betrag ist die Differenzbesteuerung in Höhe von 2 % abzuziehen. Dies ist ein Betrag in Höhe von 52,00 EUR.
Sodann wäre ein Betrag in Höhe von 2.548,00 EUR verblieben, welchen die Beklagten an die Klägerin zu zahlen verpflichtet gewesen wären.
Die Beklagte zu 2) hat zunächst jedoch lediglich 2.200,00 EUR gezahlt. Insoweit hätte der Klägerin ohne weiteren Nachweis des Anfalls einer Umsatzsteuer ein Schadensersatz in Höhe von 2.548,00 EUR zugestanden. Nunmehr hat sie nachgewiesen, dass auch die Umsatzsteuer in Höhe von 52,00 EUR angefallen ist. Denn sie hat einen Kaufvertrag vorgelegt, aus weichem sich ein Kaufpreis in Höhe von 3.700,00 EUR incl. Differenzumsatzsteuer gemäß § 25 a UStG ergibt. Demnach hat die Klägerin nachgewiesen, dass ihr tatsächlich eine Umsatzsteuer in Höhe von 74,00 EUR angefallen ist Demnach hat die Klägerin nunmehr auch einen Anspruch auf Zahlung der Differenzumsatzsteuer, wie oben ermittelt in Höhe von 52,00 EUR.
Die Klägerin hätte demnach nunmehr einen Anspruch auf Ersatz des ihr insgesamt entstandenen Sachschadens in Höhe von 2.600,00 EUR. Hiervon sind die bereits durch die Beklagte zu 2} geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.272,50 EUR abzuziehen, so dass ein an die Klägerin zu zahlender Betrag in Höhe von 327,50 EUR verbleibt.“

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