Führerscheinentzug wegen Haschisch nur bei Bezug zum Straßenverkehr

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Juni 2002 – Aktenzeichen 1 BvR 2062/96 – und Beschluss vom 8. Juli 2002 – Aktenzeichen 1 BvR 2428/95 –

Quelle: Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts, Pressemitteilung Nr. 62/2002 vom 12. Juli 2002
Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Beschwerdeführers (Bf) stattgegeben, dessen Fahrerlaubnis entzogen wurde, nachdem er sich geweigert hatte, ein behördlich angeordnetes Drogenscreening beizubringen.In einem anderen Fall hingegen wurde die Vb nicht zur Entscheidung angenommen.
Im ersten Fall wurde der Bf an der Grenze einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Dabei wurden fünf Gramm Haschisch gefunden.Weil der Bf kein Drogenscreening durchführen wollte, entzog die Führerscheinbehörde ihm die Fahrerlaubnis. Rechtsmittel blieben erfolglos.
Nach geltendem Recht ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Erlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Bei hinreichendem Verdacht darf die zuständige Behörde dem Autofahrer aufgeben, bestimmte Gutachten beizubringen, bei Drogenverdacht ein Drogenscreening. Die Missachtung dieser Anordnung hat regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge.
Der Entzug der Fahrerlaubnis war im vorliegenden Fall verfassungswidrig, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs stand. Es fehlte nämlich als Grundlage der Überprüfung der Fahreignung ein hinreichender Tatverdacht, der einen Eignungsmangel nahe legte.
Die Kammer geht davon aus, dass der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr für sich allein kein hinreichendes Verdachtselement bildet.
Zu dieser Einschätzung kommt die Kammer auf Grund von fachlichen Stellungnahmen und Gutachten. Dazu führt die Kammer unter anderem aus:
Der Konsum von Cannabis könne die Fahreignung ausschließen. Die Fahrtüchtigkeit einer Person sei im akuten Haschischrausch und während der Dauer einer mehrstündigen Abklingphase aufgehoben. Nach heutiger Erkenntnis bestehe in aller Regel aber kein Anlass zu der Befürchtung, dass der einmalige oder gelegentliche Konsum von Haschisch bei den Betroffenen zu einer anhaltenden fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit führe. Bei einmaligem oder gelegentlichem Haschischkonsum sei es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Betroffene eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit nicht rechtzeitig erkennen oder dennoch nicht von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr absehen könne.
Bei dieser Sachlage durfte die Fahrerlaubnis nicht allein auf der Grundlage des einmalig festgestellten Haschischbesitzes und der Weigerung, am Drogenscreening teilzunehmen, entzogen werden.
Die Kammer betont aber, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken an einer Fahreignungsprüfung bestehen, wenn über den bloßen Besitz von Cannabis hinaus konkrete tatsächliche Verdachtsmomente dafür ermittelt worden sind, dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag oder zu trennen bereit ist. Dann kann weiterhin die aktive Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers verlangt und darf die Verweigerung zum Nachteil des Betroffenen gewürdigt werden.
In dem diesen Sachverhalt betreffenden weiteren Fall hatte die Polizei nicht nur Cannabisbesitz festgestellt, sondern auch die Reste eines mit Haschisch versetzten Joints im Aschenbecher des Fahrzeugs gefunden.

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