Bundesverfassungsgericht – Beschluss vom 11. Juni 2010 – 2 BvR 1046/08 – Bundesverfassungsgericht stärkt Richtervorbehalt bei Entnahme von Blutproben
Ein Zeuge hatte die Polizei auf eine mögliche Trunkenheitsfahrt der Beschwerdeführerin aufmerksam gemacht. Eine halbe Stunde später hat die Polizei in der Wohnung der Beschwerdeführerin einen Atemalkoholtest durchgeführt, der einen Wert von 1,01 mg/l ergab. Etwa 35 Minuten später wurde ihr auf dem Polizeirevier auf Anordnung eines Polizeibeamten von einem Arzt Blut entnommen.
Die Instanzgerichte sahen die Blutentnahme im Sinne einer effektiven Strafverfolgung als rechtmäßig an.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde die Beschlüsse der Strafgerichte aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Der Gesetzgeber habe die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter anvertraut. Damit soll eine effektive Kontrolle der Ermittlungsmaßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz gewährleistet werden. Deswegen müssen die Ermittlungsbehörden in der Regel zunächst versuchen, die Anordnung eines Richters zu erlangen. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung verbundene Verzögerung dürfen die Staatsanwaltschaft und – nachrangig – die Ermittlungsbehörden die Blutentnahme selbst anordnen.
Eine solche „Gefahr im Verzug“ müssen die Ermittlungsbehörden dann mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründen und in den Ermittlungsakten dokumentieren, es sei denn, der drohende Verlust des Beweismittels ist offensichtlich.
Ob selbst bei Kontaktaufnahme mit dem Ermittlungsrichter eine zeitnahe Entscheidung unmöglich gewesen wäre und deshalb „Gefahr im Verzug“ vorlag, lässt sich nicht beurteilen, weil die Polizeibeamten erst gar nicht versucht hatten, einen richterlichen Beschluss einzuholen.