OLG Oldenburg, Urt. v. 12.07.2010 – 2 SsRs 220/09 – Das Oberlandesgericht Oldenburg hält die Winterbereifungspflicht der StVO für verfassungswidrig.
Ein Autofahrer fuhr im November 2008 mit Sommerreifen, kam ins Rutschen und verursachte einen Schaden.
Das Amtsgericht Osnabrück verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 85,- EUR.
Er habe gegen § 2 Absatz 3a Satz 1 und 2 StVO verstoßen. Danach ist die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen an die Wetterverhältnisse anzupassen, dazu gehört auch geeignete Winterbereifung.
Das OLG entschied, dass die Regelung verfassungswidrig ist.
Nach Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit so konkret zu umschreiben, dass der Anwendungsbereich für den Einzelnen erkennbar sei oder sich durch Auslegung ermitteln lasse. Dies sei bei der betroffenen Vorschrift jedoch nicht der Fall.
Weder gesetzlichen noch technischen Vorschriften sei zu entnehmen, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Bei einem Winterreifentest im Jahr 2005 seien auch zwei Sommerreifen getestet worden, die sich beim Fahren auf Eis sogar als geeignet erwiesen hätten. Für den Bürger sei daher nicht eindeutig erkennbar, welche Reifen als „ungeeignete Bereifung bei winterlichen Wetterverhältnissen“ anzusehen seien. Diese Unklarheit hätte der Gesetzgeber durch eine klare Anordnung vermeiden können.
Das Oberlandesgericht konnte ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht selber über die Verfassungsmäßigkeit der Norm entscheiden, da es sich bei der StVO um kein formelles Gesetz handelt, sondern um eine sogenannte Rechtsverordnung. Formelle Gesetze werden vom Parlament beraten und verabschiedet, während Rechtsverordnungen von dazu ermächtigten Exekutivorganen (z.B. Bundesministerien oder Landesregierungen) erlassen werden.