Denkmalschutz kontra Klimaschutz

Fotovoltaikanlagen auf einer denkmalgeschützten Pfarrscheuer.

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vom 01.09.2011, Az.: 1 S 1070/11

Das oberste Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg hat verbindlich entschieden, dass Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals durch Fotovoltaikanlagen in stärkerem Maße hinzunehmen sind als Beeinträchtigungen durch andere bauliche Veränderungen, und zwar auch wegen des in der Verfassung verankerten Klimaschutzes .
Eine Kirchengemeinde beantragte die Genehmigung für eine Fotovoltaikanlage auf ihrer Pfarrscheuer. Das Landratsamt lehnte die Genehmigung ab. Die Pfarrscheuer befinde sich im Ensemble von Kirche und Pfarrhaus, die beide Kulturdenkmale seien. Die spiegelnde Glasdachdeckung der Fotovoltaikanlage beeinträchtige das Kulturdenkmal und die Umgebung über alle Maßen. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Kirchengemeinde Klage beim Verwaltungsgericht. Dort blieb sie ohne Erfolg. Auf ihre Berufung verpflichtete der VGH die Denkmalschutzbehörde, noch einmal über den Genehmigungsantrag zu entscheiden.
Der VGH schaute sich die Anlage persönlich an und kam zu dem Ergebnis, dass eine Fotovoltaikanlage das Erscheinungsbild der unter Denkmalschutz stehenden Pfarrscheuer selbst nicht erheblich beeinträchtige. Es komme auf das Empfinden des für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters an. Dieses Empfinden werde beeinflusst durch die tatsächliche Entwicklung der letzten Jahre, in denen Fotovoltaikanlagen auf Dächern – gerade auch auf Scheunendächern – in so großer Zahl errichtet worden seien, dass derartige Anlagen in ländlich strukturierten Gegenden heute zum normalen Erscheinungsbild gehörten. Der Durchschnittsbetrachter nehme solche Anlagen daher nicht mehr als exotische Fremdkörper wahr, die schon per se und erst recht auf einem Kulturdenkmal als störend empfunden würden, wie dies vielleicht in der Anfangszeit der Nutzung dieser Technik noch der Fall gewesen sei. Vielmehr sei ein Gewöhnungseffekt eingetreten, der durch die gewandelten Anschauungen über die Notwendigkeit der vermehrten Nutzung regenerativer Energien und die damit einhergehende positive Grundeinstellung des Durchschnittsbetrachters zu dieser Form der Energiegewinnung noch verstärkt werde.
Allerdings würde eine Fotovoltaikanlage das unter besonderem Schutz stehende und besonders schützenswerte Erscheinungsbild des Pfarrhauses und der Pfarrkirche erheblich beeinträchtigen. Trotzdem sei der Antrag aber nicht ohne weiteres abzulehnen.  Die zuständige Behörde müsse erneut über den Genehmigungsantrag entscheiden.
Dabei ist das öffentliche Interesse an der Erschließung erneuerbarer Energien mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Denn der Klimaschutz sei als Staatszielbestimmung im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert. Das bedeute, dass den Belangen des Denkmalschutzes auch bei einer erheblichen Beeinträchtigung nicht automatisch der Vorrang gegenüber den Belangen des Klimaschutzes einzuräumen sei. Es spreche einiges dafür, dass die Behörde dies bisher nicht hinreichend beachtet habe, urteilte der VGH. Dagegen sei die Gewinnung regenerativer Energien, auch wenn sie religiös motiviert sei, keine Religionsausübung. Die Kirchengemeinde könne sich daher nicht auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht oder die Religionsfreiheit berufen.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg

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