Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts, wenn das Fahrzeug mindestens sechs Monate weitergenutzt wird
BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 – VI ZR 192/05 –
Quelle:BGH
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
Der Kläger benutzte nach dem Unfall den zwar beschädigten, aber funktionsfähigen und verkehrssicheren PKW weiter, ohne ihn zu reparieren. Der Schädiger wollte nur den Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert bezahlen, nicht die höheren Reparaturkosten.
Dem Geschädigten stehen für die Berechnung von Kraftfahrzeugschäden im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs. Unter diesen Möglichkeiten hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert.
Aber: Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 – BGHZ 154, 395 ff. entschieden, dass der Geschädigte zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangen kann, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiter benutzt, ohne dass es auf Qualität und Umfang der Reparatur ankommt. Im damaligen Fall hatte der Geschädigte seinen PKW repariert, um ihn weiter zu nutzen. Die Frage, ob in jedem Fall repariert werden muss, stellte sich deshalb nicht.
Daraus kann aber nicht entnommen werden, dass der Geschädigte generell zur Reparatur verpflichtet sei, wenn er den erforderlichen Reparaturaufwand verlangt. Es ist nunmehr klarzustellen, dass für den Anspruch auf die fiktiven Reparaturkosten ohne Berücksichtigung des Restwerts entscheidend ist, dass der Geschädigte das Fahrzeug weiter nutzt, sei es auch in beschädigtem, aber noch verkehrstauglichem Zustand. Er kann es nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen unrepariert weiternutzen und den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag anderweitig verwenden. Im Fall der Weiternutzung stellt der Restwert, wenn und solange der Geschädigte ihn nicht realisiert, lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 395, 397 f. m.w.N.).
Von einer Weiternutzung des Fahrzeugs kann allerdings dann nicht die Rede sein, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall alsbald veräußert. Es stellt sich die Frage, wie lange der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall nutzen muss. Diese Frage wird dahin beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten erforderlich, aber auch ausreichend ist. Der Zeitraum von sechs Monaten ist angemessen, wenn nicht be-sondere Umstände ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen.