Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Oktober 2002 – XII ZR 266/99
Quelle: Pressemitteilung Nr. 103/2002 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, in welchem Umfang Kinder zu Unterhaltsleistungen für ihre betagten Eltern herangezogen werden können. Die steigenden Heim- und Pflegekosten einerseits und die Finanznot der Sozialhilfeträger andererseits haben zu einem Anstieg von solchen Unterhaltsverfahren geführt. Dabei ist festzustellen, daß die meisten Klagen nicht von den Eltern gegen ihre Kinder, sondern von den Sozialhilfeträgern erhoben worden sind.
Das war auch in dem vorliegenden Rechtsstreit der Fall, geklagt hat der Landkreis. Der ledige Beklagte verfügt über ein Renteneinkommen von ca. 3.800 DM sowie über Einkünfte aus einem Kapitalvermögen von ca. 300.000 DM und – zeitweise – aus der Vermietung einer Eigentumswohnung. Insgesamt lagen seine Einkünfte zwischen rund 5.100 DM und 4.700 DM monatlich.
Der Landkreis teilte dem Beklagten im März 1995 mit, dass er für die Eltern Sozialhilfe leiste und forderte ihn zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf. Dem kam der Beklagte im Mai 1995 nach. Etwa zwei Jahre später, im April 1997, ersuchte die Behörde erneut um Auskunft, die der Beklagte im Mai 1997 ordnungsgemäß erteilte. Im Juli 1997 gab der Landkreis ihm die Höhe des verlangten Unterhalts bekannt und leitete im November 1997 ein Mahnverfahren ein.
Der BGH hat entschieden, daß die Unterhaltsansprüche für die Eltern teilweise verwirkt seien. Der Beklagte habe angesichts der verstrichenen Zeit darauf vertrauen können, daß er nicht mehr uneingeschränkt in Anspruch genommen werde. Außerdem sei der dem Unterhaltsverpflichteten zu belassende angemessene Selbstbehalt nach der dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang entsprechenden Lebensstellung des Verpflichteten zu bemessen und umfasse dessen gesamten Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Altersversorgung. Eine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus brauche der Unterhaltsverpflichtete jedenfalls insoweit nicht hinzunehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibe oder ein Leben im Luxus führe.