Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.07.2002
Aktenzeichen 2 C 21.01, Quelle: Pressestelle des BVerwG
Das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Bewerberin keinen Anspruch auf Einstellung als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen hat, wenn sie nicht bereit ist, im Unterricht auf ihr aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch zu verzichten. Es hat damit die Auffassung des Oberschulamts Stuttgart bestätigt, das es 1998 abgelehnt hatte, die Klägerin, die aus Afghanistan stammt und 1995 eingebürgert worden ist, als Beamtin in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg zu übernehmen.
Zwar gewährleistet das Grundgesetz den Zugang zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis sowie die freie und ungestörte Religionsausübung. Wer aus Glaubensüberzeugung ein Kopftuch trägt, ist durch das Grundrecht auf freie Religionsausübung geschützt. Staatliche Pflichtschulen, an denen die Klägerin als Beamtin tätig sein will, werden indessen von Schülern mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen besucht. Jeder Schüler hat aufgrund seiner Religionsfreiheit Anspruch darauf, vom Staat nicht dem Einfluss einer fremden Religion, auch in Gestalt eines Symbols, ausgesetzt zu werden, ohne sich dem entziehen zu können. Auch die Eltern der religionsunmündigen Schüler können verlangen, dass der Staat sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen neutral verhält.
Diese Pflicht zu strikter Neutralität im Bereich der staatlichen Schule wird verletzt, wenn eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuch trägt. Das Kopftuch ist ein deutlich wahrnehmbares Symbol einer bestimmten Religion, selbst wenn seine Trägerin keinerlei missionarische Absicht damit verfolgt und das Kopftuch nur aus eigener Glaubensüberzeugung trägt. Wegen der Vorbildfunktion, die eine Lehrerin an Grund- und Hauptschulen ausübt und aus pädagogischen Gründen auch ausüben soll, darf sie den in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigten Schülern keine bestimmte Glaubensüberzeugung ständig und unübersehbar vor Augen führen.
Der Konflikt zwischen diesen Grundrechten lässt sich in schonender Weise nur dadurch vermeiden, dass eine Lehrerin auf das Tragen eines Kopftuchs während des Unterrichts verzichtet. Da die Klägerin hierzu nicht bereit ist, fehlt ihr die erforderliche Eignung, den staatlichen Erziehungsauftrag mit der gebotenen Neutralität wahrzunehmen. Ob Beschwerden oder Beanstandungen tatsächlich geäußert werden, ist dabei unerheblich; der Staat ist gehalten, bereits dem Entstehen einer Konfliktlage vorzubeugen.